Japanfahrt November 2008

Japan – ein Schüleraustausch der besonderen Art

Im November 2008 durften zwei Schülerinnen des Siebold-Gymnasiums Würzburg unsere Partnerschule in Uwa besuchen.

Aus Anlass des 100jährigen Bestehens der Uwa Senoir High School hatte die Kleinstadt vier Personen aus Deutschland zur Jubiläumsfeier eingeladen.

Diese Glücklichen waren Herr Ferring, ein ehemaliger Lehrer des Siebold-Gymnasiums, der Japanischleher Herr Betsui, Jennifer Stürmer (11) und ich, Sarah Wedrich (K13).

In einer leider viel zu kurzen Woche konnten wir die so völlig fremde Kultur des Landes der aufgehenden Sonne ein bisschen kennen lernen…

Ankunft

Nachdem wir über Frankfurt und Tokyo nach Matsuyama geflogen waren, (mit einer 1,5 h dauernden Busfahrt von einem Flughafen in Tokyo zum anderen) wurden wir dort direkt abgeholt und zu unseren Gasteltern gebracht. Dortige Ankunft 23:00 Uhr! Damit waren wir annähernd 26 Stunden unterwegs gewesen.

Wir wurden sehr herzlich empfangen, und unser Gastvater hat unsere Koffer nach oben geschleppt. Dann gab’s natürlich erst mal eine Hausführung. Im Wohnzimmer befindet sich ein elektrisch beheizter Tisch in Kniehöhe, der beim gemütlichen Zusammensitzen die Beine wärmt.

Eine Tradition, auf die in Japan besonders wertgelegt wird, ist der Austausch von Gast- und Willkommensgeschenken. Bei unseren Gastgebern kamen der Bocksbeutel und die Lebkuchen mit Abstand am besten an. Nach einem kleinen Mitternachtsimbiss bestand unsere Mutter darauf, dass wir unsere Eltern in Deutschland anrufen. Kein Problem, denn da die Japaner uns immer 8 Stunden voraus sind, war es in unserem Heimatland gerade erst 4 Uhr nachmittags.

Dann kam das Highlight des Tages: ein japanisches Bad. Das muss man sich folgendermaßen vorstellen: Das Badezimmer ist unterteilt, und im „Nebenzimmer“, durch eine Schiebetür zu erreichen, ist der Duschraum. Man entkleidet sich also im „Vorraum“, und setzt sich sodann auf einen Hocker im Duschraum, um sich gänzlich mit ca. fünf verschiedenen Seifen zu säubern. Anschließend der Höhepunkt: so gewaschen legt man sich dann in das vorbereitete heiße Wasser in der Badewanne und entspannt sich und genießt. Herrlich wohltuend!

Und direkt danach ab ins Bett, bzw. den Fouton.

1. Tag Vormittag: Sightseeing

Am nächsten Morgen staunten unsere Gasteltern nicht schlecht, als wir nach ca. 7 Stunden Schlaf um 8 Uhr bereits wieder fit waren. Bei einem Spaziergang mit ihrem Hund, zeigten sie uns die Umgebung.

 

Nach dem Besuch in einem Orchideenhaus mitten im Reisfeld und einem japanischen Frühstück (Reis, Salat, Suppe, Ei und natürlich O-cha (grüner Tee), welches wir natürlich mit Stäbchen zu uns nahmen, durften wir eine Rundfahrt über die gesamte Insel genießen. Achtung beim Autofahren: In Japan herrscht Linksverkehr! Überall auf der Insel sind Mikanplantagen (Kreuzung aus Mandarine und Orange), Reis- und Cosmosfelder zu sehen.

Dann das erste Highlight: Wir besuchen einen Tempel – den Futsumokuji.

 

1. Tag Nachmittag/Abend: Schloss und Freunde

Nach dem Mittagessen in einem Sushirestaurant, besuchten wir ein typisch japanisches Schloss, sowie das Heimatmuseum. Auch hier heißt es wieder, wie fast überall: Schuhe ausziehen!


Am Abend lernten wir drei Mitschüler kennen, Naoko Hirata, Atsuko Kawaida und Yamato Joko, durch die das gemütliche Abendessen bei unseren Gasteltern sehr spaßig wurde. Auch die Verständigungsprobleme waren bald kein Hindernis mehr. Mit Japanisch, Englisch, Händen und Füßen konnte sich jeder ausdrücken.

Zum Abschluss des geselligen Abends zeigte man uns die Kunst des Shuujidougu. Das ist die japanische Art der Kalligraphie:

2. Tag Vormittag: Mikanplantage, Kimonos und Besuch beim Bürgermeister

Bei unserem morgendlichen Spaziergang konnten wir den letzten Storch von Ehime bewundern. Auch der Mishimajinjya (jinjya = Schrein) beeindruckte uns an diesem Tag.

Nachdem wir auf einer Mikanplantage bei der Ernte helfen durften, und jeder eine ganze Tüte dieser wundervoll saftig schmeckenden Frucht mit auf den Weg bekommen hatte, kam der vorläufige Höhepunkt unserer Reise: Wir wurden in einen waschechten Kimono gekleidet! Und damit nicht genug. Vor dem Haus wartete dann auch noch eine echte Rikscha auf uns. Es war fantastisch!

Trotzdem waren wir recht erleichtert, als wir unsere Geta wieder ausziehen durften. Damit zu laufen ist alles andere als leicht, vor allem, wenn besagte Schuhe auch noch zwei Nummern zu klein sind.

Im Kimono besuchten wir dann eine Grundschule, in der wir am Musikunterricht teilnahmen. Die Kinder brachten uns bei ein einfaches Lied auf der „koto“ (=13-saitige Wölbbrettzitter) zu zupfen, sodass wir am Ende der Stunde alle zusammen musizierten.

Danach empfing uns der Bürgermeister von Uwa, der jedem von uns einen wunderschönen Fächer als Willkommensgeschenk überreichte. Nachdem wir die Kimonos schweren Herzens wieder zurückgegeben hatten, gingen wir mit Herrn Ferring und unseren Gasteltern Mittagessen in einem Misusuppenrestaurant.

2. Tag Nachmittag/Abend: Schule/Reismuseum/Rede schreiben

Der Nachmittag wurde dann auch wieder durch einen Abstecher in unsere Schule, die Besichtigung des Mishimajinjya (jinjya = Schrein) und den Besuch eines Reismuseums bereichert.

An diesem Abend besuchte uns der Sohn unserer Gasteltern mit seiner Frau. Es wurde sehr lustig. Doch mussten wir anschließend noch eine Rede schreiben, da uns der Direktor gebeten hatte, dass wir uns jeder kurz ca. zwei Minuten lang vorstellen. Natürlich auf Japanisch. Vor der ganzen Schülerschaft… Bis um 4:00 Uhr morgens haben wir noch dran gefeilt, und auswendig gelernt. Ist uns nicht weiter schwer gefallen, denn schließlich war’s in Deutschland gerade mal 20:00 Uhr. Das Aufstehen allerdings am nächsten Morgen nach drei Stunden Schlaf war nicht ganz so angenehm…

3. Tag: Schulbesuch

Der Tag begann mit einer Englischstunde bei Masasan. Er bat uns auf Englisch den Schülern ein paar Worte Deutsch beizubringen. Dafür machte er uns anschließend mit traditionell japanischem Spielzeug vertraut. Danach ging’s zurück ins Büro des Direktors, wo man uns wie üblich eine Tasse O-cha (grüner Tee) servierte. Nach der Pause war es uns gestattet noch folgende Unterrichtsstunden zu besuchen: Japanisch, Geschichte, Erdkunde und Informatik.

Schließlich entdeckten wir unsere Freunde im Englischunterricht. Deren Lehrerin zeigte außerordentliches Engagement angesichts der deutschen Austauschschüler: Sie hatte eine ziemlich genaue Deutschlandkarte und den Bundesadler, wie ich es selbst nicht besser könnte, an die Tafel gemalt. Anschließend folgten wir unseren Freunden zum Musikunterricht. Wir lasen den Text von „Freude schöner Götterfunken“ und „Heidenröslein“ vor, die Schüler sprachen uns nach.

Nach einer kurzen Teepause im Direktorat war es dann soweit: unser großer Auftritt in der Turnhalle. Eine Rede vor der gesamten Schule auf Japanisch.

Wenn man der Vizedirektorin glauben schenken darf, hat man uns auch ganz gut verstanden, und so entschieden wir uns trotz Schlafmangel am Nachmittag für weiter Besichtigungen. Wann ist man schließlich schon mal in Japan?

So wurden uns voller Stolz noch ein Seiden- und ein Holztäfelchenmuseum präsentiert, sowie ein wunderschöner Schrein.

Auf dem Rückweg erfuhren wir dann dass es "Inoko-Tag" war. Das ist so was Ähnliches wie unser Heilige – Drei – Könige. Da am Abend ein großes Fest (Saufgelage) stattfinden sollte, und wir leider in Japan noch minderjährig waren, (Volljährigkeit mit 21) wurden wir kurzerhand in eine andere Gastfamilie verfrachtet… Quatsch! Chizuru Okabe (die Mutter) spricht sehr gut deutsch und hatte darum gebeten uns auch mal beherbergen zu dürfen. Also verbrachten wir zwei Nächte bei ihrer Familie. (= Sohnemann Shizuto (2), Töchterchen Michina (5) Vater Kazuwaki und Oma Kuniko). Auch hier wurden wir sehr herzlich empfangen. Michina und ihre Mutter ließen uns beim Abendessenkochen mithelfen und erklärten uns die richtige Reisbällchenformtechnik. Mit einem kleinen Spaziergang ließen wir den Abend dann in Ruhe ausklingen.

4. Tag: Schulfest

Unsere Gastmutti fuhr uns zur Schule, wo wir erst mal verloren vor der Tür standen, denn die Festzeremonie hatte schon begonnen, und eigentlich hätten wir uns pünktlich um 9:00 Uhr mit unserem Japanischlehrer Atsuto und Herrn Ferring treffen sollen, die mit einer ¾ Stunde Verspätung ankamen. Ob das wohl etwas mit dem ausschweifenden Vorabend zu tun hatte?

Das nun folgende Schulfest war umwerfend!

Aufführungen u. a. von zwei Opernsängern, die mit unserer Musiklehrerin berühmte Opernstücke gesungen haben, Präsentationen von Schülern, traditionelle japanische Tänze und vieles mehr.

Nachdem wir noch verschieden Behindertenschulen einen Besuch abgestattet hatten, ging’s zum formellen Teil: Im Kulturzentrum wurde eine offizielle Feier mit Parlament, Berühmtheiten und allem drum und dran abgehalten. Schade dass wir kaum etwas verstanden.

Der Ratschlag unseres Japanischlehrers: "Pennt doch, oder geht spazieren. Mach’ ich auch."

Danach wurden wir noch zu einer Siegerehrung des örtlichen Marathonlaufes beordert, wo wir die Preise übergeben durften. (10-Kilo Säcke mit Reis)

Unsere zweite Gastfamilie lud uns zum Abendessen in ein japanisches Restaurant mit Streichelzoo für die Kleinen ein.

5. Tag: Abschied

Auch heute wurden wieder verschiedene Stücke von Schülern aufgeführt, aber der unumstößliche Höhepunkt war die Tatsache, dass man uns nochmals in Kimonos kleidete.

Besonders interessant war es an einer richtigen Teezeremonie teilzunehmen. An unserer High School waren wir inzwischen mehr als bekannt. Jeder zweite kam zu uns, mit der Bitte: „Picture, picture!“.

Schließlich aber war es Zeit für uns Abschied zu nehmen. Unser Englischlehrer (Masasan) hatte während eines Talentwettbewerbs ganz spontan eine kurze Abschiedsrede auf Englisch geschrieben, und einen seiner Schüler dazu verdonnert, sie vorzulesen. Als wir dann mit donnerndem Applaus verabschiedet wurden, konnten wir beide nur schwer die Tränen zurückhalten. An unserem letzten Abend kamen so ziemlich fast alle die wir näher kennen gelernt hatten, um uns zu verabschieden, und jeder hat uns ein kleines Geschenk mitgegeben. Da ich von der komplizierten Teezeremonie so fasziniert gewesen war, zeigte mir die Mutter einer Freundin noch einmal wie das vonstatten ging und danach durfte ich es selbst mal probieren. Beim dritten Versuch beherrschte ich es dann fehlerfrei.

Mit unseren Mitschülern saßen wir noch bis 23:00 Uhr um den Wohnzimmertisch, und unsere Mutter sah es gar nicht gern, dass unsere Freunde noch so lange auf waren, wo sie doch am nächsten Morgen wieder zur Schule mussten. Doch aus den letzten 10 Minuten wurden 15, 20, 25 usw. Irgendwann ließ es sich dann aber nicht mehr hinausschieben. Wir mussten Adieu sagen. Es fiel keinem leicht.

Rückreise

Am nächsten Morgen hieß es für uns Abfahrt um 5:00 Uhr. Kein Thema, wir konnten ja im Flieger schlafen.

Gute 24 Stunden später waren wir wieder in Deutschland.

Für uns alle war diese Reise ein unvergessliches Erlebnis, und ich hoffe, dass auch in Zukunft Schüler des Siebold-Gymnasiums die Möglichkeit haben werden, dieses zuvorkommende, freundliche und aufgeschlossene Volk kennen- und lieben zu lernen.


Hinweis: Es gibt auch einen Artikel auf der Internetseite unserer Partnerschule, der Uwa Senior High School