Luiz und der „Schrei nach Liebe“
…aus der Mainpost vom 28.1.2016
In wenigen Tagen wird Luiz Kubiczak zum zweiten Mal mit seiner E-Gitarre auf der Bühne stehen – eine aufregende Sache. „Seit eineinhalb Jahren lerne ich das Instrument“, erzählt der 18-Jährige, der in einer Wohngruppe der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe (EKJH) in Würzburg lebt. Bei der heutigen Probe darf er vor einem „Mini-Publikum“ spielen: Schülerinnen des Siebold-Gymnasium besuchen ihn. Mit im Gepäck haben sie eine Spende von 2.700 Euro für die Musikprojekte der EKJH.
„Die musikalische Bildung unserer Kinder und Jugendlichen liegt uns sehr am Herzen“, sagt Wolfgang Beckmann vom Leitungsteam der EKJH. Es gibt nicht nur die fünfköpfige Band, mit der Luiz Kubiczak jede Woche probt: „Wir haben auch einen Chor und eine Sambagruppe.“ Jedes Jahr zu Weihnachten wird ein Musical einstudiert. Mehrere hundert Menschen sehen es sich alljährlich an. Auch beim Sommerfest der Einrichtung treten die Jugendlichen vor großem Publikum auf.
Mit Daniel Nölp engagiert sich seit sieben Jahren ein „echter“ Musikpädagoge für die außerschulische musikalische Bildung der 180 Jungen und Mädchen, die von der EKJH unterfrankenweit stationär betreut werden. Er eröffnet Kindern, die von zu Hause keine musikalische Förderung erhielten, die Chance, in die Welt der Musik einzutauchen. Viele der Jungen und Mädchen, erläutert Beckmann, stammen aus Elternhäusern, in denen es nicht üblich ist, Musikunterricht zu nehmen, ins Theater oder ins Konzert zu gehen.
In seinem früheren Leben war Daniel Nölp Musiklehrer am Siebold-Gymnasium. Der Kontakt zu seiner ehemaligen Schule riss nie ab. Schnell war denn auch sein Kollege Joachim Krumm dafür gewonnen, auf musikalischem Gebiet eine Kooperation mit der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe einzugehen. Letztere ist dringend auf Unterstützung für ihre Musikprojekte angewiesen, denn musikalische Bildung ist im Jugendhilfetat nicht vorgesehen. „Die aktuelle Spende fließt in den Kauf einer elektrischen Gitarre und Headsets für unser nächstes Weihnachtsmusical, in den Ankauf von Noten sowie in Tonabnehmer“, so Nölp.
Die Spende in Höhe von 2.700 Euro kam durch ein Projekt des P-Seminars Musik des Siebold-Gymnasiums zusammen. 15 Schülerinnen und Schüler der jetzigen 12. Jahrgangsstufe organisierten Ende letzten Jahres eine „Weihnachtsshow“, bei der mehrere Schulensembles mitwirkten. „Insgesamt waren über 120 Schüler an der Show beteiligt“, so Musiklehrer Joachim Krumm.
Franziska Borgmann und Sude Baydilli gehörten zu den Jugendlichen, die sich für die Show engagierten. Beide mögen Musik. „Ich selbst spiele Gitarre und trete manchmal in der Türkei als Sängerin auf“, so die 19-jährige Baydilli. Beide jungen Frauen wollen nach dem Abitur Sonderpädagogik studieren. Von daher war es für sie sehr interessant, zu sehen, wie die EKJH mittels Musik versucht, Kinder und Jugendliche mit oft gravierenden Verhaltensproblemen oder schweren psychischen Störungen zu helfen.
„Viele dieser Kinder hatten nie Erfolgserlebnisse, bevor sie zu uns kamen“, erklärte ihnen Wolfgang Beckmann. Zu erleben, dass sie ein Musikstück gut spielen oder singen können und dafür bei Auftritten lebhaften Beifall erhalten, stärke ihr Selbstbewusstsein enorm.
Auch Luiz Kubiczak möchte seine E-Gitarre nicht mehr missen. Ist es doch tausendmal schöner, selbst ein Stück zu spielen, als es sich elektronisch vorspielen zu lassen. Sein Lieblingsstück? Luiz muss nicht lange nachdenken: „Das ist von den ‚Ärzten’.“ Und heißt „Schrei nach Liebe“.
Luiz Kubiczak probt zusammen mit dem Musikpädagogen Daniel Nölp Stücke für seinen nächsten Auftritt. Besucht wird die Probe von den beiden Siebold-Gymnasiastinnen (links) Sude Baydilli und Franziska Borgmann. Bild: EKJH