„Würzburg am Main, die Stadt des Weines und der Fische ..“, so beginnt das Buch „Die Jünger Jesu“ von Leonhard Frank, das Anlass war, Zeitzeugen an das Siebold-Gymnasium einzuladen. In Anwesenheit eines Enkels von Leonhard Frank und einiger Initiatoren der Projektwoche „Würzburg liest ein Buch“ trugen Schülerinnen der Klasse 9d Ausschnitte aus dem Buch vor und stimmten so auf ein Gespräch über die Situation in Würzburg in der Nachkriegszeit ein.
„5.000 Tote und über 300.000 Brandbomben in wenigen Minuten“, Frau Heinleins Finger glitten suchend über die Zahlen aus einem Artikel über die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945. Kaum zu glauben, dass sie das Inferno dieser Nacht in Grombühl überlebt hat. Ebenso wie Frau Müller-Tamm, die in den Katakomben der Reuererkirche mit ihrer Familie Zuflucht fand. Frau Heinlein entwarf in wenigen Sätzen ein Szenarium, das ihren Zuhörern, die zum Zeitzeugengespräch ins Siebold-Gymnasium gekommen waren, die Verzweiflung und Grausamkeit dieser Nacht deutlich machte. Frau Müller-Tamm berichtete vom tragischen Schicksal eines Rechtsanwalts, mit dem ihr Vater gemeinsam eine Kanzlei hatte. Wegen kritischer Äußerungen über die Nazis wurde er nach Buchenwald ins KZ gebracht, kehrte schwer gezeichnet in das völlig zerstörte Würzburg zurück, in dem er nur noch die Ruinen seines Zuhauses im Echterhaus vorfand. Eine Bombe hatte bei einem Angriff im Februar 1945 ausgerechnet dieses Haus getroffen, in dem sich zu diesem Zeitpunkt fast seine ganze Familie aufhielt. Der dritte Zeitzeuge, Herr Röser wurde als 18-Jähriger eingezogen und als Panzersoldat nach Frankreich geschickt, wo er am D-Day gefangen genommen wurde. Nach einer insgesamt 7-jährigen Odyssee durch Kriegsgefangenenlager in den USA und Frankreich, kam er völlig abgemagert und entkräftet am zerstörten Bahnhof in Würzburg an. Was war nur aus seiner Stadt geworden?
Lebendiger Geschichtsunterricht, konkrete Erziehung zum Frieden, so lauteten die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler und der Gäste von außen, die zu Tränen gerührt waren. Am Ende der Veranstaltung fragte eine Zuhörerin sichtlich beeindruckt Frau Heinlein: „Entschuldigung, sind Sie vielleicht in den nächsten Tagen noch einmal zu hören?“ Frau Heinlein blickte fast etwas verwundert auf und entgegnete: „Nein, eigentlich nicht!“ In der Tat, diese Begegnung mit Zeitzeugen war wirklich in mehrfacher Hinsicht einmalig.
Ulrike Bernet