Sprachlich und wirtschafts-wissenschaftlich

Mein Abenteuer Argentinien

Am 3.10.2023 ging es für mich endlich los. Nach monatelanger Vorfreude startete meine Lufthansa Boeing 747 in Richtung São Paulo gerade noch rechtzeitig vor dem Nachtflugverbot gegen 23 Uhr. Nach einem kurzen Zwischenstopp und einem typischen brasilianischen Schokopudding zum Frühstück ging es dann endlich weiter nach Buenos Aires. Am Flughafen Ezeiza wurde ich schon von meinem Gastbruder Lucas, der letztes Jahr zwischen Dezember und Februar bei uns in Deutschland gelebt hatte, und seiner Gastfamilie empfangen (natürlich mit den hier typischen Besos zur Begrüßung).

Schon auf der “Heimfahrt” merkte ich, dass das Leben hier ein anderes ist! Auf der teilweise 9-spurigen Avenida General Paz wird von allen Seiten überholt, gerne auch paarweise die Spur gewechselt und des öfteren wurde von den Autofahrern auch kurzerhand eine weitere Spur “eröffnet”.

Zu Hause angekommen gab es dann natürlich – wie es sich für echte Argentinier gehört – erstmal ein typisches Asado von der Parilla, das köstliche argentinische Rindfleisch. In den folgenden Wochen sollte ich noch merken, dass ein Tag ohne Rindersteak hier eher die Ausnahme ist!

Nach einer eher kurzen Nacht ging es dann am nächsten Tag zum ersten Mal zum Instituto Ballester. Wir wurden morgens immer von Lucas’ Mutter zur Schule gefahren. Die Stoppschilder wirkten auf dem Weg eher wie ein netter Hinweis, dass man schneller sein muss als die Autos, die auf der Vorfahrtsstraße angerauscht kommen…

Schon am Schuleingang machten sich weitere Unterschiede bemerkbar, als alle Schüler in Schuluniform unterwegs waren und wir am Eingang vom Pförtner begrüßt wurden. Wegen der Sicherheit ist es hier nämlich in den Mittagspausen nicht erlaubt, zum nächsten Supermarkt zu gehen, sondern es wird im Comedor warm zu Mittag gegessen.

Da das Instituto Ballester eine deutsche Schule ist, an der die Schüler auf das International Baccalaureate hinarbeiten, sind hier neben den normalen Unterrichtsstunden auch einige andere Klassen auf deutsch. Die Lehrer werden hier außerdem geduzt und teilweise sogar von Schülern mit Küsschen begrüßt!

Nach Hause ging es nach dem späten Schulende um 16:30 dann immer mit dem Bondi, den argentinischen Bussen. Auch das war erstmal ein kleiner Kulturschock, als wir mehr oder weniger in den noch rollenden Bus hineingehüpft und dann an unserer Haltestelle wieder herausgesprungen sind ;). Nachmittags gab es (zumindest in meiner Gastfamilie)  täglich Merienda, also Café und Facturas (süße Gebäckstücke), fast immer mit der argentinischen Leibspeise Dulce de Leche gefüllt. Insgesamt merkt man hier echt, dass das (sehr späte) Essen mit der gesamten Familie eine große Rolle im Sozialleben spielt. Auch einige Familienfeste und eine Taufe durfte ich hier miterleben und konnte so am Familienleben mit schätzungsweise 2376 Cousins und Cousinen teilnehmen ;).

Eine weiterer verrückter Unterschied ist das tägliche Leben mit der Inflation, die letztes Jahr bei 140% lag. Bei meiner Ankunft lag der Tauschkurs auf den Straßen, der sich stark von dem offiziellen Kurs unterscheidet bei 1 Dollar = 860 Pesos. Eine Woche später war dann durch die Inflation der Kurs schon bei 1 Dollar = 1100 Pesos! Die Preise steigen hier teilweise täglich und die Supermärkte haben Angestellte, die dafür zuständig sind, über Nacht die erhöhten Preisschilder umzuhängen. Das Ganze war aber auch ein bisschen den extrem wegweisenden  Präsidentschaftswahlen geschuldet. Die Wahlen sowie die folgende Stichwahlen waren in diesen Monaten das absolut dominierende Thema im Fernsehen, Radio und auch auf den Straßen.

Insgesamt ist das Leben hier für uns als Deutsche aber echt günstig, ein Café mit zwei Medialunas kostet umgerechnet ca. 1,50€ oder eine Busfahrkarte ca. 5 Cent.

An den Wochenenden unternahmen wir natürlich immer etwas und fuhren beispielsweise oft nach CABA, also ins Stadtzentrum. Besonders cool war natürlich das Microcentro mit den bekanntesten Sehenswürdigkeiten, wie dem Obelisken oder der Casa Rosada mit überdimensionaler Argentinienfahne. Außerdem fand ich persönlich die Viertel Recoleta, Palermo-Soho und La Boca besonders cool! Überall gab es jeweils genug zu sehen, um dort den ganzen Tag zu verbringen und dann auch noch mit Freunden abends etwas Trinken zu gehen.

Einen Tagesausflug machten wir außerdem nach Colonia, Uruguay, mit der Fähre. Ein kleines Dorf mit sehr schönem alten Stadtkern, einer traumhaften Promenade bei 30 Grad und Sonne im November und einer Stierkampfarena. Ein weiteres Highlight war auf jeden Fall auch die 4-Tages Reise zu den Cataratas del Iguazú! Wir wohnten in dem Village Cataratas, einem Dschungelhotel, von dessen Balkon man mit Glück auch ab und zu einen Tucán und andere Papageien sehen konnte. An den Straßen, die hier in der Provincia Misiones häufiger auch nur Sandpisten waren, kam man alle paar Kilometer auch an einem Jaguar-Warnschild vorbei, gesehen haben wir aber keinen… Die Wasserfälle waren natürlich auch sehr spektakulär, speziell durch den vielen Regen der vergangenen Wochen in Brasilien und dem damit hohen Wasserpegel. An zwei Tagen haben wir auch die Grenze überquert und haben die brasilianische Seite erkundet, außerdem noch das dort typische Espeito in Foz do Iguaçu gegessen. Somit konnte ich auf meiner Reise schon drei Länderpunkte sammeln, Paraguay war außerdem am Dreiländereck in Sichtweite!

Auch die Freunde von Lucas haben mich direkt in ihre Freundesgruppe aufgenommen und die Jodas Argentinas sollte man auch mal erlebt haben! Bei der Fiesta de Egresados – der Abschlussfeier des Instituto Ballesters – ging es von der Previa mit einem Partybus und lauter Musik durch die Straßen von Buenos Aires zur gemieteten Boliche (so heißen die argentinischen Discos). Dort hatte jeder Kurs einen feierlichen Einzug und danach wurde mit Freunden von vielen anderen Schulen bis zum Sonnenaufgang gefeiert. Eine argentinische Liveband gab es auch und es wurde natürlich das argentinische Weltmeisterlied gegrölt.

Insgesamt war diese Reise wirklich unfassbar schön, die Leute hier sind wirklich alle super offen und immer freundlich, das Essen schmeckt auch super und das Land ist wunderschön! Die Gastfamilien zeigen einem als Austauschschüler auch so viel wie nur irgendwie möglich von IHREM Land, auf das sie so stolz sind!

Außerdem würde ich gerne noch Eugenia Melis und Herrn Steinmetz für die Organisation des Austausches so wie allen meinen Spanischlehrkräften für die super Vorbereitung danken! Auch wenn das argentinische Spanisch ein bisschen Anpassung vom “Schulspanisch” erfordert, kam ich sprachlich insgesamt super zurecht und habe mein Spanisch in den zwei Monaten auf jeden Fall stark verbessert!

Auch ein riesiges Dankeschön an meine Gastfamilie, die mich wie einen weiteren Sohn aufgenommen hat!

Ich kann diesen Austausch nur jedem empfehlen, der die Möglichkeit hat und interessiert an dem südamerikanischen Lifestyle ist. Das war die wohl coolste Erfahrung, die ich bisher in meinem Leben machen durfte! Viele Grüße vom anderen Ende der Welt :).

Ben Nöding – Abi 2023