Seit einigen Jahren interessiere ich mich sehr für Kolumbien. Das, was man in Deutschland allerdings über dieses unglaubliche Land erfährt, sind meist nur schlechte Nachrichten. Entführung, Drogen, Armut…die Liste ist lang und es gibt ständig neue negative Meldungen. Durch die vielen Hollywoodproduktionen wird das Bild, das man bereits von Kolumbien hat, auch nicht gerade aufgebessert, da jeder Drogenboss grundsätzlich Kolumbianer ist.
Allerdings habe ich mir schon immer gedacht, dass es in keinem Land der Welt nur schlechte Menschen geben kann, und so habe ich mich an meinen Großonkel gewandt, der viele Jahre in Kolumbien lebte. Als Lehrer unterrichtete er an der Deutschen Schule von Barranquilla sowie an öffentlichen Schulen. Aus diesem Grund kennt er viele Leute verschiedenster Schichten und konnte mir so bestätigen, dass es auch in Kolumbien solche und solche Menschen gibt. Dies ist etwas, was ich auch später immer wieder in Kolumbien selbst hören sollte: Kolumbianer sind entweder zu 100% schlecht oder zu 100% gut, viel dazwischen gibt es nicht. So wie hier in Deutschland immer nur von Kolumbiens Schattenseiten berichtet wird, hört man in Kolumbien eigentlich immer nur von den schönen Seiten des Landes. Auf Fragen nach der Guerilla zum Beispiel wird aber auch ohne Umschweife direkt und offen geantwortet. All die Kolumbianer, die ich getroffen habe, sind übrigens die nettesten, offensten, direktesten und lustigsten Menschen, die ich je in meinem Leben getroffen habe!
Vor ca. 2-3 Jahren habe ich dann schließlich angefangen, Zulema, einem Mädchen der Deutschen Schule in Barranquilla, e-Mails zu schreiben. Am liebsten wäre ich auch gleich nach Kolumbien gereist; wegen all der schlechten Publicity, die man aber über Kolumbien hört, erlaubten es meine Eltern jedoch nicht. Erst 3 Jahre später, nachdem Zulema im Rahmen eines Austausches 3 Monate bei mir verbracht hatte, bekam ich schließlich die Erlaubnis. Die 3 Monate, die Zulema bei uns verbrachte, waren mehr als abwechslungsreich und sehr interessant für beide Seiten. Obwohl fast alle wohlhabenden kolumbianischen Familien ein Hausmädchen haben, das alles im Haushalt erledigt, war es für Zulema kein Problem, ganz ohne diese Hilfe zurechtzukommen. Da ich später auch ihren Alltag kennen lernte, weiß ich heute, dass dies eine Wahnsinnsleistung war! Ihr Deutsch war bereits sehr gut, da auch teilweise der Unterricht an ihrer Schule auf Deutsch stattfindet. Einige Dinge ihres Verhaltens konnte ich allerdings erst durch meinen Gegenbesuch verstehen.
Wir flogen schließlich Anfang August gemeinsam nach Kolumbien. Wegen Problemen mit dem Flugzeug verbrachten wir eine Nacht in Madrid. Am nächsten Tag kam es wiederum zu Verzögerungen, weshalb wir in Bogotá unseren Anschlussflug nach Barranquilla verpassten. In dieser Situation war ich froh eine Muttersprachlerin dabei zu haben, da offenbar nur sehr wenige Kolumbianer genug Englisch für eine normale Unterhaltung sprechen. Unser gesamtes Gepäck wurde durchsucht und wir über alles Mögliche ausgefragt. Da sich das kolumbianische Spanisch ziemlich vom normalen Schulspanisch unterscheidet, hatte ich hierbei so meine Probleme. Allerdings blieben alle stets geduldig und freundlich.
Letztendlich kamen wir doch noch irgendwann in Barranquilla an. Die schwere, drückende Hitze schlägt einem wie eine Wand entgegen und ist nicht auch nur im Entferntesten mit heißen deutschen Sommertagen vergleichbar. Von April bis Oktober ist außerdem an der Küste Regenzeit, weshalb es hin und wieder zu ziemlich heftigen Wolkenbrüchen kommt. Da Barranquilla kein Abwassersystem an den Straßen hat, stehen diese in wenigen Minuten unter Wasser und sind somit unpassierbar. Da es einige Leute trotzdem immer wieder versuchen diese „reißenden Flüsse“ zu überqueren, gibt es fast jedes Mal Todesopfer.
Barranquilla ist im Endeffekt eine kolumbianische Stadt wie aus dem Bilderbuch. Das Erste, was man als Europäer wohl wahrnimmt, ist die Armut, die es an jeder Straßenecke gibt: Straßenhunde, Kinder, die barfüßig arbeiten, Eselkarren, Schwangere, die selbst noch Kinder sind… Aber auch die wahnsinnigen Kontraste stechen ins Auge: Folgt man größeren Straßen führen sie einen nacheinander durch reiche Villenviertel und arme Holzhüttenviertel. Und trotzdem passt alles irgendwie zusammen: Die folkloristischen Busse mit den vielen verschiedenen Taxiarten, die im Müll wühlenden Armen und die Reichen, die Straßenverkäufer und die Edelboutiquen, die Eselkarren bzw. Pferdegespanne mit den Luxusautos – alles fügt sich irgendwie zusammen. Und irgendwie teilen sich doch alle Costeños ihre Lebensfreude, die laute Musik an jeder Ecke, ihre gute Laune und ihre Hilfsbereitschaft. Sobald jemand – egal, wie arm oder reich er war – hörte, dass ich Europäerin bin, wollte er mir gleich alles zeigen und erklären. Kolumbianer sind sehr stolz auf ihr Land, was auch an den vielen Flaggen, die es überall gibt, deutlich wird. Die Kolumbianer freuen sich über jeden Besucher und empfangen ihn mit offenen Armen, getreu dem Motto: Mi casa es tu casa (Mein Haus ist dein Haus). Obwohl in Barranquilla annährend 3 Millionen Menschen wohnen, wirkt es doch sehr dörflich und überschaubar. Jeder scheint jeden zu kennen und das Verhältnis untereinander ist sehr vertraut und offen. Barranquilleros sind sehr direkt, laut und tolerant. Aus diesem Grund sollte man selbst auch sehr tolerant und offen für Neues sein, denn nur so kann man all das verschiedene Essen, das komplett andere Leben und die unterschiedliche Lebensvorstellung verstehen und lieben lernen! Von anderen Kolumbianern werden die Costeños oft als faul bezeichnet, da gegen Mittag eigentlich immer Siesta ist; jedoch gibt es wohl auch sonst nirgends so lustige und entspannte Menschen wie dort. Alles läuft nach dem Motto „Ach, das kann ich auch noch Morgen machen!“, und doch kommen sie offenbar irgendwie immer an ihr Ziel. Man sollte aber auf gar keinen Fall erwarten, dass der jeweilige Austauschpartner immer nur so aufgelegt ist, denn letztendlich sind Kolumbianer, wie jeder andere auch, auch nur Menschen.
ich war nur einen Tag mit Zulema in der Schule. Dort habe ich 17 andere Deutsche getroffen, die entweder so wie ich nur in den Ferien zu Besuch waren oder aber 2 bis 3 Monate oder sogar ein ganzes Jahr dort verbrachten. Aus diesem Grund hat eine Lehrerin auch extra einen Spanischkurs eingerichtet, damit alle ihr Spanisch verbessern konnten. Die meisten kolumbianischen Schüler werden mit dem Auto zur Schule gebracht und abgeholt, einige fahren aber auch mit den Bussen. Da es in den Klassenzimmern eine Klimaanlage gibt, tragen alle Schüler normale Jeans und T-Shirts. Tops und kurze Hosen/Röcke, wie sie bei uns ganz normal sind, werden dort nicht so gerne gesehen. Die Schule liegt außerhalb Barranquillas an der Autobahn Richtung Cartagena. Wie auch an allen öffentlichen Gebäuden oder an teueren Privathäusern gibt es auch hier Wachleute, die den Eingang bewachen. Kolumbianische Schüler, die auf eine Privatschule gehen, müssen gewöhnlich einmal die Woche „Sozialdienst“ leisten, d.h. man besucht ärmere Schulen, kümmert sich um die Kinder dort und spielt mit ihnen bzw. versorgt sie mit etwas zu Essen. Hieran habe ich aus Zeitgründen zwar nicht teilgenommen, jedoch habe ich mit einer anderen Bekannten einige arme Schulen und Viertel besucht. ich finde, das ist eine sehr wichtige, aber natürlich auch niederschmetternde Erfahrung, die man aber in Kolumbien unbedingt machen sollte!
In Kolumbien ist es eigentlich wie in jedem ärmeren Land auch: Man sollte sich nicht leichtsinnig verhalten und z.B. nicht zeigen, dass man viel Geld hat, und auch außerdem nicht nachts allein auf der Straße unterwegs sein. Wenn man sich aber daran hält, muss man eigentlich keine Bedenken haben in dieses Land zu reisen. Kolumbien ist einzigartig, voller Gegensätze und doch wiederum so gleich. ich bin mir sicher, dass jeder, der dieses Land und seine Leute richtig erlebt hat und mal die Vorurteile außer Betracht lässt, es lieben wird! Zur Vorsorge sollte man aber unbedingt gegen Gelbfieber, Hepatitis B und Typhus geimpft sein! Das Leitungswasser kommt zwar von einer spanischen Firma, es zu trinken wäre aber trotzdem leichtsinnig. Außerdem sollte man unbedingt Insektenspray dabei haben. (Mein deutsches hat jedoch nicht gewirkt. Es ist also wohl das Beste, sich vor Ort etwas zu kaufen). Wegen Malaria gibt es aber eigentlich keinen Grund zur Sorge.
Reist man nach Kolumbien und hält sich an die entsprechenden Regeln, wird man schnell merken, dass sich die kolumbianische Redensart bewahrheitet: „Die einzige Gefahr, die einen hier erwartet, ist die, nicht mehr von hier weg zu wollen.“
Jana Amling, K12